Unser Gesprächspartner
Jessica Joos führt, gemeinsam mit ihrem Vater, in 4ter beziehungsweise 5ter Generation den Familienbetrieb “Obsthof Sehringer“. Dabei setzt sie insbesondere auf Direktvermarktung von Obst und Edelbränden im eigenen Hofladen und auf ein Gesamtkonzept, bei dem für den Kunden der Einkauf zum Erlebnis wird.
Du hast ja das Unternehmen von deinem Vater übernommen, bzw. ihr führt das Unternehmen gerade zusammen. Wie ist es denn dazu gekommen?
Ich bin eigentlich gelernte Floristik-Meisterin. Und ich hab schon immer hier im Betrieb mitgearbeitet, aber nur nebenher und nicht so viel. Vor etwa fünf Jahren bin ich dann erstmal als Angestellte eingestiegen.
Irgendwann kam dann die Frage auf, wie es denn langfristig mit dem Betrieb weiter gehen soll und in welche Richtung sich der Betrieb entwickeln soll.
Eigentlich vermarkten wir unsere Äpfel vorrangig an größere Abnehmer. Die Direktvermarktung ist bisher immer auf der Strecke geblieben. Und das ist eher mein Steckenpferd.
Das Ergebnis war, dass ich nicht den kompletten Hof übernommen habe, sondern dass wir eine GbR gegründet haben. Meinem Vater gehört noch die Landwirtschaft mit dem kompletten Anbau und die GbR ist für die Vermarktung an den Endverbraucher zuständig. Da ist mein Vater zu 10 % mit dabei, aber ich hab da die Oberhand.
Der Vorteil ist, dass ich eine Lernphase hab und nicht von jetzt auf gleich alles alleine machen muss. Das war eine bewusste Entscheidung, damit ich in Ruhe rein wachsen kann, dass ich Erfahrung darin sammle, was alles im Hintergrund läuft.
Mein Vater macht die Großkunden und ich alles andere. Da fällt mittlerweile einiges drunter unter die GbR. Das sind zum einen die Edelbrände, das ist die Hofbäckerei, das Hofcafé und noch einiges mehr.
Auf den ersten Blick sieht es ein bisschen so aus, als wären das sehr viele unterschiedliche Dinge, aber letztlich ergibt es ein stimmiges Gesamtbild.
Wie ist das für euch gelaufen? Gab es Schwierigkeiten?
Ich glaube die ein oder andere Schwierigkeit gibt es bei so etwas immer. Die Gründung lief sehr gut und es gab auch kaum Auseinandersetzungen. Und mein Vater hält sich finde ich auch gut zurück. Er sagt mir zwar manchmal, was er anders machen würde, aber letztlich überlässt er dann schon mir die Entscheidung.
Aber natürlich haben wir auch immer mal wieder Differenzen.
Ich bin zum Beispiel manchmal zu entscheidungsfreudig und er ist etwas bedachter. Das ergänzt sich eigentlich aber manchmal führt das natürlich auch zu Reibereien.
Was sind aus deiner Perspektive die Erfolgsfaktoren für euer Unternehmen?
Wir zeigen immer noch nach außen, dass wir ein Familienunternehmen sind. Die Zusammenarbeit von Vater und Tochter, die wir auch nach außen tragen, das kommt gut an. Und damit verbunden auch die Heimeligkeit und Gemütlichkeit ist auch ein Faktor. Bei uns ist es nicht anonym und es gelingt uns, das Bodenständige zu erhalten und gleichzeitig mit der Zeit zu gehen, also zu schauen, was kann man Neues entwickeln.
Das Konzept „Familienbetrieb“ wollen wir schon beibehalten, weil das in der aktuellen Situation, auch mit dem Thema Umwelt und dem was die Menschen anspricht einfach gut passt.
Seit wann gibt es den Hof schon?
Mein Opa hat hier vor Ort in den 70ern angefangen. Also hier ist es die dritte Generation. Aber mit dem groß angelegten Obstbau hat mein Ur-Ur-Großvater angefangen. Das war zu dem damaligen Zeitpunkt eine ziemliche Sensation.
Damals noch an einem anderen Standort hier im Ort. Den alten Hof musste mein Großvater dann leider aufgeben, weil er so marode war, dass eine Sanierung zu viel Geld gekostet hätte. Und dann hat er hier das Grundstück gefunden und konnte den Aussiedlerhof neu bauen.
Was sind denn in den letzten drei Generationen die großen Entwicklungsschritte gewesen?
Mein Opa hat hier ganz klein angefangen und ziemlich gekämpft. Da muss man schon Respekt haben, dass sie das überhaupt so hinbekommen haben, das zu erhalten und auszubauen. Sie haben viel ausprobiert, vieles hat funktioniert, manches aber auch nicht und sie wurden auch von einigen Menschen belächelt.
Als mein Vater den Hof übernommen hat, war eine gute Basis geschaffen.
Mein Vater hat Obstbau gelernt, das heißt er kommt aus dem Bereich und hat neuen Schwung rein gebracht. Er hat neue Ideen umgesetzt, hat die Brände weiter voran gebracht und den Hofladen aufgemacht. Dabei hat er das Ziel gehabt, eine Struktur in den Hof zu bringen und den Namen nach außen zu tragen. Das hat auch in den letzten Jahren sehr gut geklappt.
Als ich jetzt dazu gekommen bin, gab es natürlich nochmal neuen Wind. Ein wesentlicher Faktor ist, dass wir zu zweit sind. Mein Vater war früher immer allein – klar war meine Mutter auch da, aber die hatte mit dem Obstbau nicht viel zu tun, das war nicht so ihr Ding.
Und plötzlich waren wir zu zweit und wenn man sich so einen Betrieb teilt, dann ist natürlich ein ganz anderes Spektrum da und man kann viel mehr schaffen. Er kann sich auf die Produktion konzentrieren und ich kann mich darauf schauen, wie modernisieren wir den Betrieb, wie bringen wir ihn voran, wie zeigen wir uns nach außen.
Ich hab dann zum Beispiel auch die Hofbäckerei mit reingebracht. Das hat sich in den letzten 5 Jahren alles super weiter entwickelt und wir hoffen, dass es auch in Zukunft so weiter geht.
Einige unserer Ideen wurden zu Anfang von anderen belächelt und jetzt sind sie ein riesen Erfolg.
Wachstum ist ja auch eine Herausforderung, welche Stolperfallen gab es auf diesem Weg für euch?
Ich glaube die größten Stolperfallen waren, dass wir uns nicht verhaspeln. Wir hatten tausend Ideen und irgendwo muss man dann eben doch auch wieder einen Punkt finden. Immer wieder die Frage: Wo soll das Ganze eigentlich hin gehen?
Dann geht es natürlich auch immer darum, die Finanzen im Blick zu halten und das bedeutet, dass wir manche Idee, die wir hatten, erstmal kleiner umgesetzt haben, als ursprünglich gedacht.
Personal ist natürlich auch ein Thema – wir haben Erntehelfer aber natürlich auch Personal im Laden. Und da hat man teilweise schon auch zu kämpfen. Dazu kommt dann auch noch das „i-Tüpfelchen“, denn ich hab ja auch noch einen Floristikbetrieb hier am Hof. Da hab ich fast zwei Jahre lang eine Mitarbeiterin gesucht. Zuerst hatte ich die Stelle in Teilzeit ausgeschrieben, da hat sich gar niemand beworben – dann hab ich mich entschieden, in den sauren Apfel zu beißen und eine Vollzeitstelle auszuschreiben, da hatte ich dann sensationelle 2 Bewerbungen, eine hat abgesagt und die, die den Job jetzt macht war einfach ein absoluter Glücksgriff.
Was ist dir bei dem Thema Personal wichtig?
Naja, wir merken natürlich mit den Arbeiten, die wir zu vergeben haben, dass die meisten jungen Menschen andere Ziele haben. Da stehen Abi und Karriere im Vordergrund und bei uns findet die Arbeit draußen bei Wind und Wetter statt. Das macht es natürlich schwieriger.
Zum Beispiel in der Backstube, da arbeitet eine Frau aus Polen, die fest hier in Deutschland wohnt und die diese Arbeit unglaublich gut macht. Es ist spannend, aber die hat einen ganz anderen Ehrgeiz. Die ist richtig schaffig, der macht ihre Arbeit Spaß und sie steckt viel Energie rein! Das schätzen wir sehr wert und das erleb ich bei uns in der Region sonst eher selten. Da herrscht irgendwie ein anderes Denken.
Als kleiner Familienbetrieb können wir auch nicht mit großen Betrieben mithalten, was die Bezahlung angeht. Wir versuchen unsere Mitarbeiter auch mal anders zu entlohnen. Indem wir immer wieder ein Betriebsfest und zeigen unsere Dankbarkeit und uns die Wertschätzung unserer Mitarbeiter sehr wichtig ist.
Wo geht eure Reise hin?
Wir haben ja viele Standbeine. Da ist der Bauernladen, der in den letzten Jahren vergrößert wurde, dann kam die Hofbäckerei dazu. Beides wird seit diesem Jahr ergänzt um unser Hofcafé. Dann haben wir die Edelbrände, das gab es auch schon immer. Und als ich als Floristin dazu kam und das auch nicht komplett aufgeben wollte, hab ich das i-Tüpfelchen aufgebaut. Da hab ich mittlerweile eine Angestellte, die sich um die Produktion kümmert. Außerdem gibt es bei uns noch Cocktails aus Edelbränden.
Das sieht jetzt erstmal nach wahnsinnig vielen verschiedenen Dingen aus. Gleichzeitig passt es schon wieder zusammen.
Unser Gesamtziel ist, dass wir die größere Produktion zurückfahren wollen und wieder mehr zum Endverbraucher zurück. Denn ich glaube da liegt für die Zukunft das größte Potential drin. Das Erlebnis – Einkauf mit Café-Wiese, Hofladen und Backstube. Dann wollen wir mit den Edelbränden, die seit kurzem ein ganz neues Layout haben, Tastings anbieten. Dafür hab ich extra noch den Edelbrandsomelier gemacht. Man kann uns für Feiern buchen.
Das heißt wir wollen mehr auf die Schiene: Erlebnis-Einkauf, Vermarktung, Veranstaltungen und da passt natürlich das Thema Hochzeiten gut dazu. Zumal wir in unserer Backstube eine Konditorin als Untermieterin haben, die sich auf Hochzeitstorten spezialisiert hat.
Ich würde sagen, so langsam kann man wieder eine Struktur erkennen, das war vor drei Jahren nicht so. Das hab ich als unheimlich anstrengend erlebt, weil einfach die Struktur gefehlt hat.
Rückblickend glaube ich allerdings, dass das nötig war, alles mal auszuprobieren, auch wenn es anstrengend war, um dann einen klaren Plan zu haben, in welche Richtung es jetzt gehen soll.
Das spannende dabei ist, dass sich das oft einfach so entwickelt hat. Es Dinge sind gut gelaufen, dann haben wir sie weiter ausgebaut und es ist was Neues draus geworden. Jetzt müssen wir das natürlich so zusammenführen, dass wir nicht auf Dauer so viele Baustellen haben.
Und wenn ich weiter in dir Zukunft schaue, dann kommt natürlich irgendwann das Thema auf uns zu, dass mein Vater aussteigen wird. Das sind zwar noch 10 Jahre, aber da machen wir uns schon auch jetzt teilweise schon Gedanken drüber, damit das nicht irgendwann akut wird und wir noch nicht wissen, wie wir es haben wollen. Mein Vater ist da zum Glück auch sehr offen und macht sich auch selbst Gedanken drüber! Wie wir das gut strukturieren können, die Kombination aus Obstanbau und Vermarktung.
Wir macht ihr denn für neue Projekte oder Produkte Marketing? Wie werdet ihr sichtbar?
Für meine Generation ist natürlich Facebook oder Instagram ein guter Weg –aber natürlich auch viel Arbeit. Da bin ich ehrlich gesagt nicht so hinterher, wie es eigentlich gut wäre.
Anzeigen ist immer die Frage, was lohnt sich, was lohnt sich nicht.
Dann machen wir verschiedene Hof-Feste, das bringt natürlich auch Menschen auf den Hof.
Messen sind vor allem Hochzeitsmessen mit der Edelbar und dem i-Tüpfelchen und die Plaza-Culinaria in Freiburg. Da waren wir dieses Jahr zum ersten Mal mit einem ganz neuen Konzept.
Bisher war das immer eher klein mit den Edelbränden und mit der Bar.
Jetzt hatten wir unseren umgebauten Baukompressor – also unser Schnapsmobil – dabei und zeigen eher, was wir alles auch zu vermieten haben. Das kann man sowohl mit Service als auch ohne mieten. Das heißt auch auf der Messe verändert sich so langsam unser Auftritt und wird auch moderner.
Der Nachteil an dieser neuen Ausrichtung ist ein bisschen: das sind natürlich alles Wochenendgeschäfte. Dadurch ist unser Wochenende immer zu kurz bzw. wir haben dann Montag und Dienstag unser Wochenende. Da müssen wir einfach aufpassen, dass uns das dann nicht irgendwann zu viel wird. Da versuchen wir gerade auch gute Modelle zu finden, dass wir das auf verschiedene Schultern verteilen.
Was ist dein Tipp für andere Unternehmer?
„Lieber kleinere Brötchen backen und kontinuierlich „richtig“ an einzelnen Projekten arbeiten, als alles auf einmal wollen.“
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