Am Ostermontag dieses Jahres habe ich mich von einem langjährigen Weggefährten und genialen Co-Coach verabschiedet. Lonny ist dreißig Jahre alt geworden – für Pferde ein durchaus stolzes Alter – und hat 13 dieser Jahre bei mir verbracht. In dieser Zeit haben wir gemeinsam viele Entwicklungen durchgemacht und uns gegenseitig bereichert und beeinflusst.
Diesen Artikel möchte ich diesem großartigen Begleiter widmen, der insbesondere in den letzten Jahren verschiedenen Menschen auf ihrem Weg weiter geholfen hat.
Und gleichzeitig ist es einer der persönlichsten Artikel, die ich hier auf dem Blog veröffentlicht habe.
Wie alles begann!
2007 – eigentlich war ich für meinen Kinderreitunterricht auf der Suche nach einem zweiten Verlasspony zur Entlastung meines Isländers. Bei einem Besichtigungstermin stand er dann plötzlich vor mir. Gemeinsam mit seiner Besitzerin, die mit ihrem kleinen Kind und dem nicht ganz einfachen Pferd etwas überfordert war.
Nachdem Lonny mir vorgestellt worden war und wir eine halbe Stunde geprüft hatten, ob wir „miteinander können“, war die Entscheidung von beiden Seiten schnell gefallen: Auch wenn dieses Pferd so gar nicht dem entsprach, was ich eigentlich gesucht hatte, würde es bald bei mir einziehen.
Zum Pferd: Lonny – eigentlich Biatlon – geboren im März 1990 in Russland. Ehemaliges Rennpferd. Von Russland nach Deutschland gekommen, hier als Springpferd eingesetzt, nach einer schweren Hüftverletzung aus dem Sport ausgemustert und zum Freizeitpferd geworden.
So habe ich ihn kennengelernt. In seinem Verhalten zeigten sich zu diesem Zeitpunkt verschiedene Auffälligkeiten, von denen ich nur vermuten kann, dass sie von seinen Erfahrungen im Sport und von nicht artgerechter Haltung stammen.
Gemeinsame Entwicklung
Nun hatte ich also ein Pferd, das nicht dem entsprach, was ich eigentlich gesucht hatte. Und ein Entwicklungsprozess wurde auf beiden Seiten frei gesetzt.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mein Studium der Tierverhaltensberatung abgeschlossen und zumindest eine theoretische Idee davon, was ich tun könnte, um Lonny dabei zu unterstützen, mehr und mehr zur Ruhe zu kommen und ein pferdegerechtes Leben zu führen.
Im Lauf der Zeit wurde so von einem, hauptsächlich allein, maximal zu zweit stehenden, hyperaktiven Pferd ein herdenverträgliches Tier, das zwar immer noch einen ordentlichen Energieüberschuss hatte, aber sich gleichzeitig als äußerst feinfühliger und empathischer Partner für Menschen, ihre persönlichen Themen und Entwicklungsprozesse entpuppte.
Ein gemeinsamer Weg beginnt
Zu Beginn unseres gemeinsamen Weges stand auch ich selbst noch ganz am Anfang des meinen. Ich hatte zwar mein Studium der Tierverhaltensberatung bereits abgeschlossen, aber während dieses Studiums, das ich mit dem Ziel begonnen hatte, Menschen weiter zu helfen, die gemeinsam mit ihrem Pferd vor einer Herausforderung standen, war mir klar geworden, dass ich mir für diese Aufgabe ergänzend zum Wissen über die Pferde auch noch erweitertes Wissen über die Menschen aneignen musste.
Ich war also mitten in meinem Studium der Diplompädagogik und verdiente mir einen Teil meines Geldes damit, dass ich Kinderreitunterricht gab.
Lonny konnte ich für diese Arbeit nicht einsetzen und so begann ich, auch beeinflusst durch mein Studium, mich mit dem möglichen Einfluss der Pferde auf die persönliche Entwicklung von Menschen zu beschäftigen.
Neues Pferd – neue Ideen
Mein ursprüngliches Interesse: Pferdebesitzern – die ein Problem mit ihrem Pferd haben – zu helfen, wandelte sich in die Idee, Menschen auf ihrem persönlichen und beruflichen Weg durch die Unterstützung von Pferden zu begleiten.
Mit Lonny hatte ich für dieses Vorhaben schon den passenden Partner an meiner Seite. So begann ich schon gegen Ende des Pädagogikstudiums damit, die ersten praktischen Schritte im Bereich des pferdegestützten Coachings zu gehen. Es folgte die Diplomarbeit zum Thema pferdegestützte Erwachsenenbildung.
Der Grundstein für mein heutiges berufliches Handeln war gelegt.
Denn auch, wenn ich mittlerweile als Unternehmer- und Führungskräftecoach oder im Bereich der Teamentwicklung auch viele andere Methoden einsetze, um Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten, so ist die Unterstützung der Pferde doch etwas, worauf ich nicht mehr verzichten möchte!
Wegbegleiter für persönliche Entwicklung
Und auf dem Weg dort hin hat Lonny mich in den letzten Jahren maßgeblich begleitet. An ihm durfte ich sowohl persönlich als auch professionell wachsen. Er hat mir keinen Fehler übel genommen und mir gleichzeitig immer wieder mehr oder weniger deutlich gezeigt, wenn ich auf dem Holzweg war. Aber er hat mich auch dabei unterstützt, vom Holzweg auf den für uns und für mich richtigen Weg zu kommen und diesen konsequent weiter zu gehen.
Letztendlich kann ich glaube ich sagen, dass ich unendlich viel von und mit Lonny gelernt habe und sein Leben und Verhalten sich durch meine eigenen Lernschritte immer weiter entspannt und beruhigt hat.
Aber in unseren gemeinsamen Jahren hat Lonny nicht nur mich auf meinem Weg begleitet sondern auch viele Andere Menschen unterstützt.
Er hat Teams aufgezeigt, an welchen Stellen sie ihre Kommunikation verbessern dürfen, Führungskräften, wie sie in größere Klarheit im Bezug auf ihre Führung kommen und Menschen, dass sie sich durchaus etwas zutrauen können.
In jedem Coaching, an das ich mich erinnern kann, hat Lonny den „richtigen Ton“ getroffen, sich auf die Menschen, die ihm begegnet sind voll und ganz eingelassen und gleichzeitig mit seiner Meinung nie hinterm Berg gehalten!
Einen besseren Begleiter hätte ich mir in meinen pferdegestützten Coachings nicht vorstellen können und ich bin diesem Pferd unendlich dankbar für alles, was er in mein Leben gebracht hat.
Ein Begleiter und Freund wird alt
So verliefen unsere Leben ineinander verwoben und parallel und irgendwann mussten sowohl ich als auch Lonny feststellen, dass die Zeit auch an uns nicht spurlos vorüberging. Mein Begleiter war alt geworden. Er selbst schien diesen Umstand noch nicht wirklich realisiert zu haben, aber was langsam begonnen hatte ließ sich irgendwann nicht mehr leugnen. Immer häufiger kam es zu Situationen, in denen ich ihn zu seinem eigenen Schutz nicht im Coaching einsetzen konnte. Dann wieder gab es Phasen, in denen er sich fast so benahm, wie ein junges Pferd.
Aber das Thema Abschied nehmen wurde in unserem Alltag immer präsenter und damit auch meine Verantwortung, das Wohl des Pferdes in den Mittelpunkt zu stellen. Zunehmend brauchte Lonny mehr Aufmerksamkeit und Fürsorge, die ich ihm gerne zuteil werden ließ, denn sie gab mir die Möglichkeit, ihm etwas zurück zu geben.
Zeit für Abschied
Und dann war es so weit. Ich musste mich von Lonny verabschieden, der sein Leben in einem kurzen aber heftigen Kampf beendete. Auch wenn ich mir für ihn ein friedliches Einschlafen gewünscht hatte, so hätte das vermutlich nicht zu seiner Art, sein Leben zu führen, gepasst. Und immerhin hatte ich das Glück, dass ich ihn auf diesem letzten Weg selbst begleiten konnte.
Seither ist eine gute Woche vergangen und ich habe gedanklich sehr viel Zeit mit Lonny verbracht. Mich mit unserer gemeinsamen Vergangenheit und unserem Weg auseinander zu setzen hat mir in vielerlei Hinsicht gut getan. Insbesondere der Rückblick auf das, was er zu meinem Weg beigetragen hat, erfüllt mich mit tiefem Respekt und Dankbarkeit diesem Pferd gegenüber.
Abschied nehmen und der Verlust von Freunden, Mitarbeitern, Menschen, gehört auch zu unserem Arbeitsalltag dazu. Wie gehst du damit um? Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Ich freue mich über deinen Kommentar. Vielleicht, weil du Lonny selbst erlebt hast und hier deine Erfahrungen teilen willst, oder weil dich das Thema Trauer und Abschied beschäftigt.